Allgemeines

Hier wird gewaschen und gebadet, wird der von den Männern angelandtete Fang von den Frauen sortiert und gesäubertRund um den Lake Victoria bieten sich völlig andere Landschaftseindrücke als in jedem anderen Landesteil Kenyas. Das warme feuchte Klima – Regenfälle gibt es hier das ganze Jahr über – ermöglicht eine relativ üppige Vegetation und ist Grundlage für intensiven Ackerbau. Es ist eines der dichtestbesiedelten Gebiete des Landes. Touristisch spielt es bisher kaum eine Rolle, grosse Reiseveranstalter sparen diesen Landesteil auf ihren Rundreisen meist aus. Dementsprechend fehlt eine touristische Infrastruktur weitgehend bzw. beschränkt sich auf den Hauptort der Region, auf Kisumu. Mit einer Fläche von 68’000 km2 ist der Lake Victoria der grösste See Afrikas und der drittgrösste der Erde (nach dem Kaspischen Meer und dem Lake Superior), wobei Kenya mit 3755 km2 nur einen relativ kleinen Anteil Aligemeines an dem Gewässer hat. Die beiden anderen Anliegerstaaten sind Tansania und Uganda. Der Victoriasee liegt in einem flachen Becken des ostafrikanischen Hochlandes, direkt unterhalb des Äquators. Seine Tiefe beträgt im Durchschnitt nur 40 m, an einigen Stellen ist er jedoch bis 85 m tief. Grösster seiner Zuflüsse ist der auf dem Staatsgebiet von Uganda in den See mündende Kagera, entwässert wird er durch den Victorianil.
Ins Blickfeld der Europäer gelangte der See erstmals Mitte des 19. Jh.s. Auf der Suche nach den Quellen des Nils kam 1858 John Hanning Speke als erster Weisser hierher. Er benannte den riesigen Binnensee nach der britischen Queen und war überzeugt davon, tatsächlich die Quellen des Nils gefunden zu haben. Den Beweis hierfür erbrachte der Amerikaner Stanley jedoch erst 1875. Natürlich war die Gegend rund um den Lake Victoria schon lange vor der ”europäischen Entdeckung” besiedelt. Vor rund 500 Jahren liessen sich hier die aus dem Sudan kommenden Luo nieder. Sie bilden heute das drittgrösste Volk Kenyas.
Der Lake Victoria weist einen hohen Grad der Verseuchung mit Bilharziose auf. Man darf also keinesfalls im See baden und schwimmen.  

  Landschaftsbild 

Angesichts seiner Grösse wirkt der Victoriasee eher wie ein Binnenmeer. Die stark zergliederten Küsten säumen ausgedehnte Sumpfflächen, Schilf und Papyrus bilden am Ufer teilweise ein nahezu undurchdringliches Dickicht. Inmitten des Sees liegen zahlreiche kleine Inseln, insgesamt nehmen sie 10% der Seefläche ein.  

  Fischfang 

Mehr als 300 verschiedene Fischarten konnten im Victoriasee festgestellt werden, damit hat er eine ungeheure Artenvielfalt. Etwa 20 dieser Fischarten werden als Speisefische geschätzt. Die Zusammensetzung der Fischbestände hat sich durch menschliche Eingriffe in den letzten Jahrzehnten jedoch stark verändert. Britische Biologen setzten um 1960 Nilbarsche im See aus. Als Raubfisch ernährt sich der Nilbarsch, der bis zu 200 kg schwer werden kann, von allen anderen Fischen im See. Dennoch veränderte sich die Fauna im Victoriasee zunächst nicht wesentlich. Erst seit Beginn der achtziger Jahre zeigten die menschlichen Eingriffe augenfällige Ergebnisse. Der Bestand an Nilbarschen stieg explosionsartig an. Betrug die Fischfangmenge aller drei Anliegerstaaten in den sechziger und siebziger Jahren des 20. Jh.s konstant 100’000 t jährlich, so erhöhte sie sich bis 1989 auf 500’000 t jährlich und stagniert seitdem bei diesem Wert. Bis 1979 hatte der Nilbarsch nur einen unbedeutenden Anteil an der gesamten Fangmenge, heute hat er einen Anteil von etwa 70% am Gesamtfang, die restlichen 30% entfallen auf sardinenähnliche Fische und Tilapia-Arten (Buntbarsche). Wurde noch von einigen Jahren vorwiegend für den Eigenbedarf gefischt, so wird heute ein Grossteil expotiert
Bis zu Beginn der achtziger Jahre erfolgte der Fischfang im See ausschliesslich durch Kleinfischer (man schätzt ihre Zahl im gesamten Gebiet auf etwa 50’000), der Fang diente nur der Selbstversorgung. Der Teil der Fangmenge, der nicht frisch verkauft werden konnte, wurde (meist von den Frauen der Fischer) geräuchert oder getrocknet und in dieser Form auf den nahen Märkten verkauft. Für die Völker in diesem Teil Afrikas war der Victoriasee eine beinahe unerschöpfliche Nahrungsquelle. Veränderte Fangtechniken setzten Mitte der achtziger Jahre ein. Um die steigende Nachfrage nach Nilbarschen zu befriedigen, deren Fleisch als sehr schmackhaft gilt, begann man vor allem in Kenya,Die Einheimischen baden und waschen sich im See Fischverarbeitungsbetriebe zu bauen. In ihnen wurden die Nilbarsche ausgenommen, verarbeitet und für die Versendung ins Ausland filetiert. Mittlerweile gibt es rund um den Victoriasee etwa 50 Fischfabriken; in ihnen werden etwa 255 des gesamten Fangs verarbeitet. Da der Bedarf nach Nilbarschen unverändert gross ist, besteht die Gefahr der Überfischung. Die Fabriken erhalten schon heute nicht mehr ausreichend Frischfisch, so dass einige bereits wieder schliessen mussten. Beliefert werden die Fischfabriken nicht mehr vorrangig von Kleinfischern, sondern von Fischfangcrews, die im Auftrag grösserer Investoren arbeiten. Durch die Exportorientierung des Fischfangs ist der Fisch rund um den Victoriasee so teuer geworden, dass sich die Einheimischen dieses Nahrungsmittel kaum noch leisten können.  

  Ökologische Probleme 

Die extreme Vermehrung der Nilbarsche und die damit verbundene Vernichtung anderer Fischarten stellt die Region vor ein erhebliches Problem. Die Nilbarsche fressen mit Vorliebe die diversen Tiiapia-Arten. Diese wiederum tun sich gerne an den Schnecken gütlich, die als Wirtstier für die Bilharziose-Würmer gelten. Durch die drastische Abnahme des Tilapia-Bestandes vermehren sich gleichzeitig die im See vorkommenden Schnecken, wodurch wiederum die Bilharziose ein nie gekanntes Ausmass erreicht. Katastrophale Auswirkungen haben auch die Brandrodungen rund um den See, mit denen die landwirtschaftlich nutzbaren Flächen vergrössert werden. Das hat zur Folge, dass die Nährstoffe aus den Böden ausgewaschen und bei stärkeren Regenfällen in den See gespült werden. Dadurch kommt es zu explosionsartigem Algenwachstum. Schon heute sind weite Wasserflächen in Ufernähe restlos mit Algen bedeckt. In ihnen gedeihen die oben erwähnten Schnecken, die Wirtstiere für die Bilharziose-Würmer, prächtig. Abgestorbene Algen sinken auf den Seeboden, verrotten dort und verbrauchen dabei viel Sauerstoff. Dieser wiederum fehlt in dieser Wasserschicht anderen Lebewesen, so dass das Ökosystem umkippt.